Ia, was bist du?

Ia, was bist du?

Wer an einem Nachmittag im Juli nach Ia kommt, findet sich im berühmtesten Fotomotiv Griechenlands wieder.

So weit das Auge reicht, glänzt das Ägäische Meer in der Sonne. Dort, wo es grün schimmert, erhebt sich schwarzer Bimsstein aus dem Wasser, bildet Klippen und Hügel. Das ist die Insel Santorin. Vor dreitausend Jahren standen hier dorische Bauten, jetzt reihen sich schmucke Pensionen, Cafés und Souvenirläden aneinander.

Von einer Bucht führen mehrere Pfade und Stufen durch die spärlich bewachsene Steinlandschaft zum Dörfchen Ia hinauf. Über die Caldera – die eingestürzten Kraterränder eines erloschenen Vulkans – drängen sich ein- und zweistöckige Häuserwürfel in Rosa, Gelb, Terrakotta. Abgerundete Brüstungen und Geländer sind weiß verputzt, die Stellen, wo der Putz abblättert, fühlen sich rau und warm an. Gepflasterte Gässchen führen hinauf und hinab, wie ausgetrocknete Bachläufe. Wenige Touristen irren mit ihren Fotokameras in der Hitze des Nachmittags umher, ihre Flip-Flops klatschen auf den abgetretenen Steinen. In offenen Cafés plätschern entspannte Stimmen, man hört Musik und Geschirrklappern, in der Nähe hupt ein Auto. Eine leichte Brise trägt herben Duft von wildem Thymian und Anis herbei, der sich mit Kaffeeduft und Essensgerüchen vermischt.

Zwei gedrungene achteckige Kirchen thronen nebeneinander über einem steilen Hang, ihre weißen Mauern gleißen in der Sonne, es tut den Augen weh. Die runden Kuppeln wurden von einer großen unsichtbaren Hand ins Ultramarinblau des Meeres getunkt, blaue Spritzer landeten an Fensterläden und niedrigen Zauntüren. Ein Glockenturm mit einem Kleeblattkreuz döst in einer Ecke des taschentuchgroßen Kirchplatzes vor sich hin, das Seil der Glocke hängt schlaff hinunter. Vom Kirchplatz aus sieht man weit unten die Bucht mit winzigen Ausflugsschiffen und die Nachbarinseln, die wie riesige Meerestiere ihre Rücken aus dem Wasser strecken.

Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel herab, brennt auf Schultern und Fußristen, man sehnt sich nach Schatten. Herausgeputzte Hotelterrassen nicken einladend mit ihren Sonnenschirmen, gestreifte Sitzauflagen und hübsch arrangierte Kübelpflanzen scheinen den Seiten eines Gartenmagazins entstiegen zu sein. Alles in Ia ist schnuckelig, sogar abgebröckelte Hausecken sehen niedlich aus. Das malerische Dörfchen gleicht einem sorgfältig aufgestellten Bühnenbild.

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