Die verlassene Stadt
Vorwort
Eins der Lernthemen im Grundkurs war Interpunktion und wie man sie gezielt einsetzen soll. Hier ist der kleine Text, den ich als Übung zu diesem Thema schrieb.
Die Stadt war vollkommen.
Es war eine Neubaustadt aus einem Werbeprospekt:
breite Straßen strebten zum Fluchtpunkt,
Bänke säumten sie wie Ehrengarde,
Hochhäuser bildeten wohlgeordnete Muster.
Es war ein Geometrietraum,
eine Symphonie aus Winkeln und Kurven.
Nichts störte die Vollkommenheit.
Keine Autos düsten auf sorgfältig markierten Fahrspuren.
Keine Passanten huschten über Bürgersteige.
Die Straßenlaternen hatten noch nie geleuchtet –
es gab niemanden hier,
dem sie den Weg erhellen sollten.
Niemand eilte nach einem langen Arbeitstag in die roten Wohntürme,
niemand fuhr in den spiegelglänzenden Aufzügen.
Offen standen die Türen, denn es gab hier nichts zu stehlen und niemanden zu besuchen.
Keine Essensdüfte drangen aus den Wohnungsgruften,
Kein Lachen,
kein Streit,
kein Kinderlärm.
Die Stadt war taub. Stumm. Blind.
Sie lebte nicht, sie hatte nie gelebt.
Tot, wie sie war,
war sie vollkommen.
2 Gedanken zu „Die verlassene Stadt“
Wow!!! Dieser Text ist ja toll! Ich finde die Stimmung, die du kreierst, sehr gelungen und eindrücklich!
Danke, liebe Anna 🙂
Dieser Text ist inspiriert von einem Reisebericht über eine Geisterstadt in China, Kangbashi.
Hier ist der Reisebericht, der mich so beeindruckt hat: http://macos.livejournal.com/1280619.html, aber man findet im Internet viele andere Bilder und Informationen dazu.